Stadler nutzt die Gunst des Moments

Stadler nutzt die Gunst des Moments

Mit dem Gewinn der Ausschreibung von bis zu 504 Citylink Tram-Trains entsteht eine neue Fahrzeugplattform. Das Stadler-Werk in Valencia/Albuixech ist für den Großauftrag gerüstet.

Die Geschichte des Werkes geht bis zur letzten Jahrhundertwende zurück: Eine kleine Kesselschmiede („Devis y Noguera“) wird zum Familienunternehmen, das Miguel Devís zusammen mit seinen Kindern betreibt. Über einige Zwischenschritte entwickelt sie sich zu einer Großfirma, die eng mit der 1941 gegründeten nationalen Eisenbahngesellschaft RENFE zusammenarbeitet.

Nach dem spanischen Bürgerkrieg erlebt erneut „Construcciones Devís“ einen steilen Aufschwung – neben dem Bau von Lokomotiven und Waggons ist in den folgenden Jahren vor allem die Reparatur tausender Waggons Thema. Gleichzeitig entstehen in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Unternehmen Secheron die ersten modernen Elektrolokomotiven für 1500 Volt. Ende 1947 fusioniert die Firma mit einem früheren Mitbewerber zu „Material y Construcciones SA“, kurz MACOSA. Ein vielfältiger Stahlkonzern mit Standorten in Barcelona, Alcázar de San Juan und Valencia entsteht.

MACOSA Valencia ist in die Modernisierung der RENFE eingebunden – weg vom Dampf, hin zu Diesel – und baut zusammen mit General Motors dieselelektrische Loks. Der historische Standort im Süden von Valencia direkt an der Eisenbahnstrecke nach Alicante wird bald zu klein, Mitte der 1970er übersiedelt man an den neuen und heutigen Standort in Albuixech, einer Industriezone nördlich der Stadt. Nach nun auch internationalen Großaufträgen geraten die Stahlindustrie und damit auch MACOSA aber Ende der 1970er Jahre in die Krise; auch die Investitionen der RENFE werden drastisch zurückgefahren, die gesamte spanische Bahnindustrie taumelt. Erst 1987 klärt die Regierung die Zukunft des Eisenbahnsektors. Zusammen mit Siemens, Krauss Maffei und Thyssen Henschel gründet MACOSA ein Konsortium für die künftigen Vergaben der RENFE. Danach, nach Abspaltung einer Teilgesellschaft, übernimmt ALSTHOM die Kontrolle über den Eisenbahnsektor der früheren MACOSA, nun MEINFESA.

Die alten Hallen in Valencia werden 1997 endgültig aufgegeben und die Produktion in Albuixech konzentriert; in dieser Zeit fällt die Ausrichtung des Standorts auf die Entwicklung von Lokomotiven und Drehgestellen. Dann gerät allerdings auch ALSTOM in Schwierigkeiten und gibt den Standort ab: Im April 2005 übernimmt Vossloh. In den nächsten Jahren beginnt das Unternehmen die Entwicklung modularer Wagenfamilien und baut Nahverkehrszüge sowie Tram-Trains: Die CITYLINK-Familie wird zu einem internationalen Erfolg, gefolgt vom Straßenbahnwagen TRAMLINK. Per 1. 1. 2016, nach neuer Schwerpunktsetzung auf Eisenbahninfrastruktur, verkauft Vossloh den Geschäftsbereich Rail Vehicles wieder – nun kommt Stadler ins Spiel.

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Autor und Foto: Harald A. Jahn